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Operating Windows als Stellschrauben für die Fertigung

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Empfehlungssystem für Maschinenparameter des Release-Liner-Spezialisten Mondi: Lesen Sie, wie das Unternehmen Mondi mithilfe eines Vorhersage- und Empfehlungssystems seine Produktion deutlich verbesserte und Material eingespart hat.

Produzierende Unternehmen sammeln in der Regel umfangreiche Daten in der Produktion. Die eingesetzten Fertigungsanlagen sind jedoch komplex und haben viele Stellschrauben, so dass nicht immer klar ist, welche Einstellungen zu guten Ergebnissen führen. Das ist ein ideales Einsatzszenario für Machine Learning und Artificial Intelligence. Der Verpackungs- und Beschichtungsspezialist Mondi trat in diesem Zuge an pmOne heran, um „Operating Windows“ für eine ihrer Fertigungsanlagen zu bestimmen. Damit sind Bereiche - oder eben Fenster - gemeint, in denen einzelne Stellschrauben sich während der Produktion bewegen dürfen, um eine gute Produktqualität bei gleichzeitig hohem Fertigungsdurchsatz sicherzustellen. Dieser Aufgabe hat sich das Advanced Analytics Team der pmOne gewidmet und damit zu einem neuen wichtigen Assistenzsystem in der Fertigung beigetragen.

Parameter Recommender „light“ sorgt für hohe Produktqualität und hohen Durchsatz

Mondi Heerlen B.V. ist ein führender Anbieter im Bereich Release Liner. Hierbei handelt es sich um mit Silikon beschichtetes Papier, von dem man Klebestreifen mit einer genau definierten Kraft abziehen kann. Anwendungen sind z.B. Hygieneprodukte, Compositmaterialien oder Trägerpapiere für Etiketten.

Release Liner werden auf langen Papierbahnen produziert. Alle Arbeitsschritte erfolgen in einer Maschine: Silikonauftrag, Trocknung, anschließende Nachbefeuchtung und am Ende das Aufwickeln auf einer beschichteten Rolle. Die für die Produktion relevanten Maschinenparameter wie Walzengeschwindigkeiten, Temperaturen in den verschiedenen Trocknerstationen oder der Silikondurchsatz werden sekündlich in einer Datenbank erfasst. Diese Produktionsdaten liegen für einen Zeitraum von mehreren Jahren vor. Außerdem wird jede einzelne Rolle nach ihrer Produktion auf ihre Ablösekraft - den sogenannten „Release“ - hin untersucht. Dieser Datenbestand und die Ablösekraft als KPI sind eine ideale Ausgangslage, um Zusammenhänge zwischen Produktionsparametern und Produktqualität in sogenannte Operating Windows zu gießen.

Der Maschinenführer in der Fabrikhalle von Mondi verfügt über ein Dashboard mit den für die Produktion relevanten Maschinenparametern. Jeder Parameter hat einen minimalen und einen maximalen Wert, zwischen denen er sich in der Produktion bewegen soll, damit die Qualität gut bleibt – sein „Operating Window“. In der Vergangenheit wurden diese Fenster von Prozessingenieuren auf Basis von einfacher deskriptiver Statistik erstellt, gesammelt über Zeiträume mit guter Produktqualität. Nun soll mit Hilfe von Advanced Analytics ein stärker datengetriebener Ansatz verfolgt werden.

Allgemein sind Operating Windows dabei als eine Art „kleiner Bruder“ von Machine-Learning-Modellen und Parameter-Recommendern zu verstehen. Ihnen allen ist gemein, dass sie auf in der Vergangenheit gemessenen Daten beruhen und eine Beziehung zwischen einem Input (den Produktionsparametern) und einem Output (der Produktqualität) abbilden, und den Maschinenführern Feedback über die aktuelle Produktion sowie nötige Änderungen an den Einstellungen geben. Operating Windows sind dabei weniger komplex in ihren Fähigkeiten, dafür aber weniger fehleranfällig sowie schneller und günstiger zu installieren.

Handlungsempfehlungen für die Produktion

Anleitung zum Fensterbau

Die gesuchten Operating Windows sind ein bestimmter Bereich einzelner Produktionsparameter, in dem die Produktion in der Vergangenheit eine gute Qualität erzielte. Das kann beispielsweise ein bestimmter Temperaturbereich eines Trockners sein. Ist die Temperatur zu hoch oder zu niedrig, sinkt die Qualität.

Beim Bestimmen der Operating Windows gibt es jedoch einige Fallstricke. So dauert die Produktion einer Rolle grob eine halbe Stunde, variiert aber von Rolle zu Rolle. Es gilt also, Daten zu normieren und aggregieren. Da die meisten Parameter während der Produktion einer Rolle sehr stabil bleiben, konnten wir einen fixen Zeitraum für jede Rolle festlegen (Normierung) und die Messwerte darüber mitteln (Aggregation). Damit haben wir für jede Rolle genau einen Wert pro Parameter und die dazu gehörige Qualität erhalten. Diese Daten bildeten die Basis für die weitere Analyse.

Ein weiteres Problem sind diskrete Messwerte. Sie lassen sich nicht direkt in Fenster übersetzen. Das lösten wir, indem wir mit Dichteschätzungen arbeiteten, wobei wir einen sogenannten „Gauss-Kernel“ verwenden. Dadurch entsteht aus einer Verteilung von diskreten Punkten eine kontinuierliche Funktion über einen Parameter, welche die Dichte der Punkte an einem Wert darstellt.

Als nächstes galt es ein Kriterium zu finden, anhand dessen wir Operating Windows wählen konnten. Auf den ersten Blick gibt es für dieses Kriterium zwei einander ausschließende Möglichkeiten. Erstens: Nehmen wir nur die reine Dichte an Rollen, die „gut“, also innerhalb der Spezifikationen produziert wurden? Dann hätte es passieren können, dass wir einen Bereich wählen in dem zwar viele gute, aber auch viele schlechte Rollen produziert wurden. Das Verhältnis von gut zu schlecht kann in anderen Bereichen deutlich besser sein. Oder zweitens: Ermitteln wir über eine Dichteschätzung das Verhältnis von gut zu schlecht und nehmen Bereiche mit einem guten Verhältnis? Dann hätte es passieren können, dass wir unsere Fenster über Bereichen definieren, in denen nur wenige Rollen produziert wurden. Diese haben dann nur eine geringe statistische Aussagekraft, obwohl sie ein gutes Verhältnis aufweisen. Wir brauchten also einen Ansatz, der beides berücksichtigt: Mittlere Qualität und statistische Validität/Signifikanz.

Mit dem Zufall arbeiten

Unser Vorgehen bestand letztlich darin, dass wir die Messung der Qualität einer Rolle als Zufallsexperiment mit binären Ergebnissen (“gut”, also mit einem Release innerhalb der Spezifikationen, oder “schlecht”) aufgefasst haben. Das ermöglichte es uns dann, Konfidenzintervalle zu berechnen. Die Konfidenzintervalle liefern uns eine Aussage darüber, wie sicher wir in der Einschätzung der Produktionsqualität sind bzw. sie definieren den Bereich, um den wir uns bei der Einschätzung möglicherweise irren. Hier arbeiteten wir wieder ähnlich wie bei der Dichteschätzung mit einem Gauss-Kernel.

Die Konfidenzintervalle berechneten wir dann mit der Wilson-Schätzung für die Erfolgswahrscheinlichkeit binomialverteilter Experimente. Um ein Fenster zu wählen, wird dann eine untere Schwelle für das untere Konfidenzintervall festgelegt. Wir können zum Beispiel fordern, dass die Erfolgswahrscheinlichkeit der Produktion bei 0.9 (oder 90%) liegen soll und wollen bei dieser Einschätzung in 95% der Fälle richtig liegen. Das Operation Window ist dann der Bereich eines Produktionsparameters, in dem die untere Grenze des Konfidenzintervalls (mit Konfidenzniveau 95%) oberhalb von 0,9 liegt.

Smarter Umgang mit Lücken

In der Praxis ergibt sich damit aber ein neues Problem: Es entstehen Fenster mit Lücken. Diese Lücken können aus den verschiedensten Gründen entstehen, z.B. wenn in der Vergangenheit nur mit wenigen Einstellungen gearbeitet wurde, aber auch wenn die Qualität in manchen Bereichen schlichtweg nicht gut war. Wie geht man also vor, wenn die Fenster solche Lücken aufweisen?

Eine Forderung an unser Verfahren war, dass es pro Parameter nur ein Operating Window geben sollte. Wenn wir feststellen, dass unser Verfahren mehrere getrennte Bereiche als Fenster gewählt hat, müssen wir uns trotzdem für einen zusammenhängenden Bereich entscheiden. Das tun wir, indem wir den Bereich wählen, in dem die meisten erfolgreichen Produktionen liegen.

Verkompliziert wird die Sache dadurch, dass dieser Fall auch für weitere Maschineneinstellparameter auftreten kann. Die Herstellung eines Werkstücks ist ja durch eine Kombination von Einstellungen/Parametern charakterisiert. Daraus folgt, dass wenn man sich in einem Parameter auf ein Fenster festlegt, hat dies auch Auswirkungen auf die Fenster anderer Parameter. Im Extremfall wählt man Operating Windows, innerhalb derer in Wirklichkeit nie produziert wurde.

Daraus folgte für uns: Anstatt pro Parameter das beste Fenster zu wählen, testeten wir alle möglichen Kombinationen von jeweils einem Fenster pro Parameter über alle Parameter hinweg. Die schlussendlich gewählte Kombination enthält eine vorgegebene Mindestanzahl an Beispielen vergangener Produktionsläufe und hat gleichzeitig die besten Ergebnisse aller möglichen Kombinationen geliefert.

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Fazit

Am Ende stehen für Mondi Operating Windows, die dem Team an der Maschine konkrete Hinweise darauf geben, wie die Produktion zu verbessern ist. Dabei ist der Aufwand sehr viel geringer, als wenn wir einen auf Machine Learning basierten Recommender konstruiert hätten, der im Gegenzug natürlich konkretere Vorschläge für die Maschineneinstellung liefert. Und noch einen weiteren Vorteil bieten die Operating Windows: Sie sind leichter zu verstehen und zu analysieren als ein Machine Learning-Modell. Die Prozessingenieure können daher die Fenster mit ihrem Prozesswissen „offline“ analysieren und daraus Rückschlüsse über ihre Prozesse ziehen. So haben wir mit den Operating Windows eine Art Parameter Recommender „light“ erschaffen, der einen konkreten Beitrag zur Produktionsqualität bei Mondi leistet.

Ihr Ansprechpartner

Sprechen Sie mich gerne an.

Jan Hucklenbroich

Sales Manager

pmOne AG
Probsteigasse 15-17
50670 Köln

 kontakt-dm@pmone.com

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